Digitale Gebäudebewertung in Städten und Gemeinden

Von Thorsten Harig, Geschäftsführer der PLAN4 Software GmbH

Die verantwortungsvolle Liegenschaftsbetreuung ist die Kernaufgabe der Bauämter in kommunalen Behörden.

Als Voraussetzung des Werterhalts, der Wertsteigerung und der klimafreundlichen Gestaltung der Immobilien dient eine regelmäßige und sorgsame Objektbegehung. Klimaneutralität gilt heute als wichtiges Ziel der meisten Städten und Kommunen. Da 35 Prozent des Endenergiebedarfs in Deutschland auf den Gebäudesektor fallen, nimmt die Bedeutung der Gebäudesanierungen stark zu. Bei der aktuellen Renovierungsquote von etwa einem Prozent pro Jahr werden die Klimaziele aber nicht erreicht werden können. Dazu bedarf es einer Verdreifachung der aktuellen Renovierungsquote. Immer noch etwa die Hälfte aller Gebäude, die zwischen 1945 und 1980 in Deutschland errichtet wurden, müssen saniert werden. Es herrscht heute ein regelrechter Sanierungsstau. Viele Gebäude aus dieser Zeit entsprechen nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen.

Viele Bauamts-Mitarbeiter:innen ziehen heute mit Klemmbrett, Fotoapparat und Bleistift zu den sanierungsbedürftigen Gebäuden und stellen in mühsamen Begehungen fest, welchen Dringlichkeitsgrad das jeweilige Gebäude hat, beziehungsweise welche Maßnahmen wann durchgeführt werden müssen. Dieser Prozess ist ungefähr so alt wie der Gebäudebestand, der noch saniert werden muss. Das hat unter anderem auch die Stadt Konstanz erkannt: Nachdem 2019 der Klimanotstand in Konstanz ausgerufen wurde, setzt die Stadt am Bodensee heute auf die digitale Bestandserfassung zur Optimierung bestehender Gebäude. Besonders in Bezug auf die Außenhülle ergeben sich häufig Maßnahmen als Teil einer energetischen Sanierung, die einerseits Kosten einsparen und andererseits die CO2-Belastung deutlich senken.

 50 % aller Gebäude, die zwischen 1945 und 1980 errichtet wurden, muss saniert werden. (Foto: pixabay.com)

Klassische Liegenschaftsbetreuung oft zeitaufwändig und mühsam

Bestandserfassung ist ein mühsames Geschäft: Mithilfe von Checklisten, Protokollen und einer Fotodokumentation werden üblicherweise Mängel in den Bereichen Sicherheit, Funktion, und Sauberkeit sowie gebäudetechnischer Besonderheiten geprüft, dokumentiert und deren Sanierung beantragt. Diese Dokumentation dient einerseits als Nachweis der Aktivitäten vor Ort und andererseits sind sie Grundlage der kurz-, mittel- und langfristigen Instandhaltungs- und Instandsetzungsplanung und helfen dabei, erforderliche Finanzmittel rechtzeitig bereitzustellen. Doch die Arbeit vor Ort verläuft meist sehr aufwändig. Vorgefertigte Checklisten erleichtern teilweise die Objektbegehung. Doch das Zusammenführen der ausgefüllten Zettel mit den vor Ort getätigten Fotos und dem geschätzten finanziellen Aufwand ist mühsam und zeitaufwändig.  Es nimmt bei knappen Personalkapazitäten zu viel Arbeitszeit ein. Hinzu kommt, dass die Bewilligung von Geldern für die notwendige Gebäudesanierung von anderen hausinternen Stellen in den Kommunen genehmigt werden muss. Ist für diese Bewilligungsstellen der Bewertungsprozess nicht transparent und nachvollziehbar, verzögert sich das finanzielle Genehmigungsverfahren erneut.

Tablet-Einsatz spart Klemmbrett und über 50 Prozent des Zeitaufwands

Der mobile und ortsunabhängige Einsatz der Software „GebäudeCheck“ auf Tablet oder Handy ermöglicht, den Sanierungsaufwand in kürzester Zeit digital zu bewerten. Die intuitiv zu nutzende Software gestattet die Einbindung von Fotos und Notizen in die Analyse. Nach Ende der Begehung liegen dem Nutzer verschiedenste Bewertungsdaten vor. Der Clou ist ein Ampel-System, das dem User direkt anzeigt, ob alles in Ordnung ist, in Kürze Maßnahmen durchgeführt werden sollten oder ob unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Ein weiterer Pluspunkt sind die standardisierten Wertetabellen in der Software, die die Kosten der jeweiligen potentiellen Sanierungsmaßnahme bewerten. Damit müssen sich die zuständigen Bauamts-Mitarbeiter:innen sich nicht jedes Mal erneut Kostenschätzungen besorgen, sondern können bequem auf standardisierte Werte zurückgreifen.

„Mit der Software tauschen wir das Klemmbrett gegen ein Tablet bei der Begehung unserer Bestandsgebäude“, meint etwa Manuel Eckhardt, Mitarbeiter des Hochbauamts der Stadt Konstanz. „Jetzt sind wir weit über die Hälfte schneller, haben keine Übertragungsfehler der Daten mehr und klar strukturierte, nachvollzieh- und bedienbare Gebäudeparameter. Mit diesen Voraussetzungen können wir unsere Gebäude zügig energieeffizient gestalten.“ Eine Umfrage unter Verantwortlichen von Liegenschaftsbetreuungen ergab, dass anstatt der durchschnittlichen Arbeitszeit von 11 Stunden pro Dokumentation nach Einsatz der Software nur noch 5 Stunden benötigt werden.

Viele Bundesländer steigen auf digitale Sanierungsbewertung um

Mittlerweile wird die Software GebäudeCheck in sechs Bundesländern von zahlreichen Kommunen eingesetzt. Der Weg zu den Verantwortlichen in den kommunalen Bauämtern verlief immer ähnlich, erläutert Thorsten Harig, Geschäftsführer der PLAN4 Software GmbH aus Freiburg, die den GebäudeCheck programmieren, betreuen und vertreiben. „In den meisten Fällen wurden wir vom zuständigen Gemeindetag eingeladen, unsere Software-Lösung vorzustellen. Die Kommunen reagierten meist begeistert, worauf hin es zu Gesprächen, Workshops und schließlich zum Einsatz der Software kam“, führt Harig aus.

Auch die Stadt Augsburg hat den GebäudeCheck mittlerweile bei über 30 Gebäudebegehungen eingesetzt. Für die bautechnischen turnusmäßigen Begehungen und Prüfungen der rund 700 Gebäude der Stadt Augsburg wird die Software des Freiburger Start up auch in Zukunft genutzt werden. Ob Verwaltungsgebäude, Turnhallen, Schwimmhallen, Kindertagesstätten oder Schulen: Bei der Begehung mit dem Tablet wird der jeweilige Zustand direkt abfotografiert und die Fotos sofort dem jeweiligen Raum zugeordnet. „Direkt nach der Begehung liegen alle erfassten Daten übersichtlich sortiert vor. Dank GebäudeCheck ist sofort nach der Begehung klar, in welchem Zustand sich die einzelnen Räume des jeweiligen Gebäudes befinden und wie hoch die Kosten für die Sanierungen sind“, erklärt Matthias Rüther vom Hochbauamt der Stadt Augsburg. „Wenn es jetzt um Entscheidungen zu anstehenden Sanierungen geht, kann auf Datenbasis der Software eine fundierte Entscheidung getroffen werden.“

Ermittlung des Sanierungsbedarfs mit der PLAN4 Software (Foto: PLAN4/pixabay.com)