Unsere Reise in das Jahr 2050 – Unmögliches wurde möglich!

Von Thorsten Bullerdiek*

Angekommen im Jahr 2050
Wir sind angekommen im Jahr 2050: Wir arbeiten an unserem Wohnort und kaufen vor Ort, aber auch virtuell ein. Die Wertschöpfung bleibt weitgehend im Ort. Lokale Geschäfte und Onlinehandel ergänzen sich und haben gleiche Wettbewerbsbedingungen. Wir leben tatsächlich zusammen und haben Freude daran, uns in den örtlichen Gemeinschaften zu engagieren. Vieles ist anders geworden nach der Krise, die unsere Welt im Jahr 2020 dramatisch verändert hat. Aber die Politik hat reagiert.

Das doppelte Virus
Nichts war in unseren Innenstädten wie vor der Pandemie. Viele Geschäftsmodelle waren nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Dass der Onlinehandel ein für Innenstädte viel schlimmeres und nachhaltigeres Virus als Covid-19 ist, wurde immer deutlicher sichtbar. Ein Virus allein war noch mit herkömmlichen Mitteln zu besiegen. Beide zusammen war fast unmöglich. Von der Innenstadtpolitik 1.0*, die auf dem Wege zur Innenstadt 2.0 war, musste ein großer Sprung zur Innenstadt 5.0 erfolgen. Die Stufen 3.0 und 4.0 wurden im Eiltempo durchlaufen.

Harte Zeiten – Zeiten für Veränderung!
Die Innenstadt war leer. Durch den 2020 ausgebrochenen Coronavirus mussten überall die Läden, Cafés und Restaurants schließen. Trotz aufwändiger Hilfsprogramme überlebten nicht alle Betriebe. Gearbeitet wurde daheim, der Verkehr wurde weniger, die Luft besser, aber manch lieb gewordene Infrastruktur gestrichen. Auch als Läden und Gastronomie wieder öffneten, blieben viele Kunden und Besucher weg. Die Arbeitsplätze wandelten sich. Homeoffice und Coworking Space setzten ihren Aufschwung aus der Corona-Zeit fort. Wir stellten schnell fest: Wer nicht in der Stadt arbeitet, trinkt dort keinen Kaffee, besucht weder Restaurants noch Kaufhäuser und bleibt auch privat fort. Die Kundschaft war verwöhnt. Unerschöpfliche Warenauswahl im Onlinehandel wurde schnell geliefert. Dazu gab es kulante Rückgabemöglichkeiten. Warum sollte man in die Innenstadt fahren? Parkplatz suchen, mit Maske und beschlagener Brille einkaufen, die Käufe nach Hause tragen? Keiner wollte noch Gedränge und Infektionsrisiken. Shopping in der Stadt war für viele kein Erlebnis mehr. Die Innenstädte drohten zu sterben.

Neustart 2021 – mit Plan. Unmögliches wurde möglich gemacht!
Im Jahr 2021 wurde erkannt, dass wir einen Richtungswechsel brauchen: von der klassischen Innenstadt ein Wechsel zu Marktplätzen des Lebens, des Handels, der Begegnung und der Freiräume. Statt starrer Strukturen – Plätze für Möglichkeiten. Taugt dafür das Modell der Innenstadt mit seinen festen Ritualen und Strukturen, wo fast jede wirksame Veränderung zugleich schadet und hilft? Vieles war über die Jahre „stehen geblieben“. Wir mussten verändern, manches aufgeben, aber wir konnten Neues erschaffen:

2021 – 2050: 7-Punkte wurden nachhaltig umgesetzt:

  1. Projektmanagement: Jede Idee wurde erstmal als umsetzbar angesehen. Es wurde ein sehr effektives „Bedenkenmanagement“ eingeführt. Projektpläne wurde auf Minimalanforderungen reduziert. Das Scheitern von Projekten wurde einkalkuliert, um Geschwindigkeit aufzunehmen. Planungsverfahren, Berichtspflichten und Datenschutz wurden effektiver gestaltet. Das Ziel der schnellen Umsetzung von Projekten stand vorn.
  2. Digitalisierung: Dazu wurde ein Modell der virtuellen Kleinstadt erschaffen. Keine 08/15-Blaupause, sondern ein individueller Rahmen mit enormen technischen Möglichkeiten. Eine Plattform für Handel, Kultur, Verwaltung und vieles mehr. Es mussten viele über ihren Schatten springen, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Endlich eine gemeinsame Technik, bei der jede Kommune ihre Individualität nicht nur darstellen, sondern sich gleichzeitig weiterentwickeln konnte.
  3. Finanzen: Die Kommunen bekamen Mittel für die dauerhafte Finanzierung ihrer Innenstädte von Bund und Ländern. Kleinteilige Förderprogramme wurden gebündelt. die Städtebauförderung wurde, wie die Mittel zur Weiterentwicklung der ländlichen Räume massiv aufgestockt. Der Onlinehandel wurde steuerlich genauso behandelt wie der stationäre Handel. Eine Paketabgabe brachte Mittel ins System. Die Sondermittel (drei Milliarden bundesweit) zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes wurden zur Stärkung der Digitalisierung in den Kommunen umgewidmet.
  4. Ländliche Räume: Die dort lange brach liegenden Ressourcen wurden erschlossen. Menschen haben seitdem den gleichen Komfort wie in den Metropolen. Kleinere Einheiten wurden nachhaltiger gestärkt. Ehrenamtliches Engagement massiv gefördert und fast überall Bürgergenossen- und –gesellschaften gegründet. Die Ortsmittelpunkte sind dort lebendiger denn je.
  5. Marktplätze vor Ort mit stationärem Handel, Wohlfühloasen, Räumen für Kultur, Bildung und Freiräumen für eigene Gestaltung wurden auf dem Land und in den Städten zu individuellen Anziehungspunkten. Es entstanden virtuelle regionale Erlebniswelten, die die Realität vor Ort noch besser erlebbar machen. Der gesamte regionale Shopping-Prozess wurde so gestaltet, dass er besser als der Einkauf im Onlinehandel wurde. Effektiv agierende Lieferdienste, mit neuen Services, die u.a. bei der Inbetriebnahme größerer Geräte helfen, die Verpackung klimafreundlich gleich neu verwenden, wurden Standard.
  6. Teilen statt Kaufen wurde ein großes Geschäftsmodell. Regionale Geschäfte, die fast alles verleihen (vom Auto bis zum Werkzeug), statt zu verkaufen beleben die Innenstädte.
  7. Viele multifunktionale Räume, die leicht veränderbar sind, wurden geschaffen. Räume für Ideen, Experimente, Veränderung, Genuss und Erholung, real und virtuell bereichern nun die Marktplätze. Es gibt Freiräume für gemeinsames Engagement in kleinen, flexiblen und überschaubareren Strukturen, Gemeinschaftsgärten mit Onlinebegleitung. Onlinetreffpunkte für Politik, Kultur, Sport, für soziale und gesundheitliche Betreuung und vieles mehr. Verdrängt wurde das Auto in den Innenstädten: Parkplätze auf öffentlichen Grundstücken wurden erheblich verknappt.

Wer bis hierhin gelesen hat: Danke! Und: Ja, wir konnten die Welt retten, weil 2021 damit angefangen wurde und wir alle den Weg zusammen gegangen sind. Jeden Tag ein Schritt nach vorn…

 

*Thorsten Bullerdiek ist Sprecher des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und Geschäftsführer des innovatorsclub NIEDERSACHSEN und  des Zukunftsprojektes Gemeinde 5.0

 

**Die Entwicklungsstufen der Innenstädte

  • = klassischer Verkauf (vor 2021), =    Verkauf mit Lieferservice im Verbund der Einzelhändler (Start 2022)
  • = Gemeinsame Onlineshops mit Lieferservice und abgestimmten Werbekonzept (Start 2022)
  • = Teilen von Produkten an viele Nutzer/Innen mit Onlinebegleitung (Start 2023)
  • =    Betrieb einer gemeinsamen Citycommunity Online und in der realen Welt (Start 2023)